4.5 Qualifizierung und Fortbildung

Regionale Wettbewerbsnachteile resultieren vielfach aus einer geringen beruflichen Qualifikation, Wissensdefiziten oder nicht optimal genutzten menschlichen Ressourcen. Die Aktivierung, Vernetzung, Weiterentwicklung und Nutzung regionalen Wissens im Sinne einer nachhaltigen Regionalentwicklung und die Förderung des sog. Humankapitals zählen daher zu den Kernaufgaben einer erfolgreichen Regionalentwicklung.

Benötigt wird eine hohe Professionalität der Beteiligten in den unterschiedlichen Funktionen. Weiterbildung und Qualifizierung müssen daher eng mit dem regionalen Entwicklungsprozess verknüpft werden. In diesem Zusammenhang wird oft auch von "ZUSATZ-INFOLernenden Regionen" gesprochen.

 
 
 

In die Menschen muß man investieren

Qualifizierungs- und Weiterbildungsbedarf besteht in der Regel bei den verschiedensten öffentlichen und privaten Akteure, die an kooperativen Regionalentwicklungsprozessen beteiligt sind. Dabei sind zielgruppenspezifische Bedarfe zu berücksichtigen.

 
 
  • Die ortsansässige Bevölkerung, interessierte Bürgerinnen und Bürger, müssen mobilisiert und für kooperative Regionalentwicklungsprozesse sensibilisiert werden;

  • bestimmte Berufsgruppen (wie Landwirte, Direktvermarkter, Tourismusanbieter) müssen befähigt werden, bisherige Tätigkeiten anders, bzw. auch vollkommen neue Aufgaben wahrzunehmen;

  • Verantwortliche in Verbänden, Vereinen und Vereinigungen, Initiativen, die ein hohes Potenzial an Initiative und sozialem Engagement in sich bergen, können durch Fortbildung gestärkt werden;

  • Projektträger und Projektbeteiligte müssen qualifiziert und geschult werden;

  • Prozessverantwortliche (Regionalmanager, Regionalberater, Koordinatoren, Kümmerer), die integrierte Entwicklungsprojekte entwickeln, aufbauen und umsetzen, benötigen ein breites Kompetenzprofil;

  • politische Verantwortungsträger (Bürgermeister, Gemeinderäte) sowie Chefs und Mitarbeiter in Verwaltungen, müssen kooperatives Handeln verstehen und praktizieren "lernen".
Stolperstein

Fortbildung und Qualifikation der beteiligten Akteure ist für den Prozess der Regionalentwicklung in vielfacher Hinsicht von Bedeutung:

 
 

Einstellungswandel und Verhaltensveränderungen unterstützen

Nachhaltige, kooperative Regionalentwicklung erfordert Einstellungswandel und Verhaltensveränderungen. Durch Qualifikation und Fortbildung können Sinn und Zweck der notwendigen Veränderungen vermittelt werden.
Den Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft können Probleme und Chancen kooperativer Prozesse bewusst gemacht werden; der Bevölkerung in ländlichen Gebieten kann eine Kultur der Entwicklung vermittelt werden.

 
 

Fähigkeiten, Fertigkeiten, Instrument und Werkzeuge vermitteln

Die regionalen Akteure müssen befähigt werden, die notwendigen Veränderungen umzusetzen. So muß vielfach betriebswirtschaftliches Know-how vermittelt werden, um Projekte umzusetzen, den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen und sich am Markt zu behaupten.
Qualifizierung der Beteiligten erhöht auch die Qualität regionalen Handelns. So werden beispielsweise die Nachhaltigkeit von Bau- bzw. Siedlungsprojekten verbessert, wenn die beteiligten Architekten, Planer und Handwerker sowie die zukünftigen Bewohner im Bereich ökologisches Bauen sensibilisiert und qualifiziert werden.

Gutes Beispiel
 

Akteure befähigen, Kooperationen zu managen

In den seltensten Fällen startet ein kooperativer Entwicklungsprozess mit einem "Regionalmanagementprofi". Oft wird der Prozess von Regionalinitiativen, Regionalplanern, Mitarbeitern aus Verwaltungen, Arbeitsförderungsgesellschaften, regionalen oder lokalen Politikern und anderen ins Leben gerufen. Die neuen Herangehensweisen, durch die sich kooperative Prozesse auszeichnen, können allerdings nicht mit den klassischen Steuerungsinstrumenten und Verfahren angegangen werden, es entstehen neue Aufgaben und Anforderungen an die beteiligten Akteure. Bei den wenigsten der Beteiligten können entsprechende notwendige Qualifikationen und Fertigkeiten (Know-how) vorausgesetzt werden. Oft besteht ein Defizit bei kommunikativen Fähigkeiten und Konfliktlösungskompetenzen. Meist werden daher im Anfangsstadium erfahrene externe Prozessmoderatoren, die über die notwendigen Kenntnisse verfügen, hinzugezogen. Von Anfang an sollte aber darauf gezielt werden, sich diese Kenntnisse selbst anzueignen bzw. entsprechende Kapazitäten aufzubauen. Durch Aus- und Weiterbildung können die öffentlichen und privaten Akteure in der Region dazu befähigt werden, Kooperationen zu gründen, daran aktiv teilzunehmen oder zu leiten.
Durch eine gezielte Strategie der Weiterbildung kann ein regionales und lokales Potenzial für die Prozesssteuerung aufgebaut bzw. das vorhandene unterstützt werden. Dadurch wird die regionale Eigenverantwortung und Selbststeuerungskraft gestärkt.

 
 

Kompetenzmanagement ratsam

Für das Gelingen des regionalen Kooperationsprozesses ist es nicht notwendig, dass einer bzw. jeder alles weiß oder kann. Das Wissen und die Fertigkeiten sollten gebündelt im Team oder zusammen mit Partnern im Netzwerk zur Verfügung stehen und sich in der Organisationsstruktur der Kooperation wiederfinden.

Um das in der Region vorhandene Wissen und Know-how optimal zu nutzen ist ein Wissens- und Kompetenzmanagement ratsam. (-> Kommunikation)

 
Dieses beinhaltet:
  • die Nutzung und Weiterentwicklung des Wissens und des Know-hows der Mitarbeiter
  • die Strukturierung der Arbeitsorganisation, so dass das Wissen aller Beteiligten zum Tragen kommt bzw. nutzbar wird.
 
 

Unterschiedlichstes Wissen ist gefragt

Kooperative Regionalentwicklungsarbeit erfordert von den Aktiven nicht nur Fachwissen, sondern auch Erfahrungen und Kenntnisse über die Arbeit mit Bürgerinnen und Bürgern, Arbeitskreisen und Entscheidungsgremien. Daneben sind kommunikative und prozessgestaltende Fähigkeiten erforderlich, um kooperative Prozesse initiieren, unterstützen, koordinieren und durchführen zu können. Insbesondere die Prozesskoordinatoren, also diejenigen die die regionale Entwicklung voranbringen und Projekte initiieren und umsetzen sollen, benötigen außerdem gute Kenntnisse über die Region und ihre Potenziale.

Weiterbildungsbedarf
  • Fachwissen
  • Prozesswissen
  • Methodenwissen
  • Regionswissen
 
 

Fachwissen

Insbesondere bei der Umsetzung der konkreten Projekte sind fachliche Kenntnisse notwendig. Nachhaltige Regionalentwicklungsstrategien erfordern ein breites, integratives Wissen, um Projekte mit Synergieeffekten erkennen, initiieren, vernetzen und koordinieren zu können.

Das Spektrum des notwendigen Fachwissens ist so breit wie das Spektrum der Themen und Projekte einer nachhaltigen Regionalentwicklung:

 
 
  • Ökologischer Landbau
  • Regional- und Direktvermarktung
  • Regionalmarketing
  • Regenerative Energien
  • Nachwachsende Rohstoffe
  • Kulturlandschaftsentwicklung und -pflege
  • Naturschutz
  • Sanfter Tourismus
  • Lokale Agenda 21
  • Telematik
  • Regional- und Landschaftsplanung
 
 

Methoden- und Prozesswissen

Meist ist bei den Akteuren berufs- oder interessenbedingt sektorales fachliches Wissen vorhanden. Daher liegt der Weiterbildungsbedarf hauptsächlich im Bereich des Methoden- und Prozesswissens. Hierbei sind alle Bereiche angesprochen, die notwendig sind, um in kooperativen Prozessen mitzuarbeiten oder in diesen Koordinierungs- oder Leitungsfunktionen zu übernehmen.

 
 
  • Leitbildentwicklung
  • Strategieentwicklung
  • Prozess- und Projektmanagment
  • Koordination von Akteuren
  • Kommunikative Techniken (Verhandlungsführung, Argumentationsstrategien)
  • Moderationstechniken
  • Konfliktlösungsstrategien
  • Sozialkompetenz
  • Teamführung
  • Mobilisierung der Bevölkerung, Beteiligungsverfahren
  • Präsentations- und Visualisierungstechniken
  • Organisationsentwicklung
  • Netzwerkentwicklung und -pflege
  • Projektmanagement und -controlling
  • Existenzgründungsberatung (Unternehmenskonzept, Kostenrechnung, Finanzplanung)
  • Finanzierung / Fundraising / Akquisition
  • Lobbyarbeit
  • Veranstaltungsorganisation
  • Öffentlichkeitsarbeit und Marketing
  • Integriertes Wissen / Wissenskompetenz, Umwandlung von Informationen in Wissen
 
 

Regionswissen

Eine angepasste Strategie erfordert Kenntnisse über die jeweilige Region, die im Rahmen der kooperativen Regionalentwicklung erworben und vertieft werden müssen:

 
 
  • Wirtschafts- und Sozialstruktur
  • Infrastruktur
  • Verwaltungsstruktur
  • Geographische und naturräumliche Struktur
  • Entwicklungsprobleme
  • Vorhandene Institutionen und Netzwerke
  • Art und Struktur der Kommunikation
  • "Macht"strukturen (Wer kann Einfluß ausüben in der Region?)
 
 

Den regionalen Wissens- und Weiterbildungsbedarf ermitteln

Weiterbildung im regionalen Kooperationsprozess sollte strategisch angegangen werden. Hierzu muß zuerst analysiert werden, welches Wissen und welche Kompetenz derzeit und in Zukunft benötigt werden. Diese Bedarfe müssen dann mit den in unterschiedlichsten Institutionen oder bei Einzelpersonen vorhandenen Potenzialen abgeglichen werden. Auf Grundlage dieser Analyse kann der spezifische Weiterbildungsbedarf und ein darauf zugeschnittenes Weiterbildungsangebot formuliert werden. Dieser Bedarf kann gedeckt werden durch die Qualifizierung der einzelnen Mitarbeiter oder die Verbreiterung der Wissens- und Kompetenzbasis durch die Einbindung weiterer Partner.

 
 

Hochwertiges, attraktives und vielfältiges Bildungsangebot gewährleisten

Wissen und Fertigkeiten können in unterschiedlichster Art und Weise vermittelt werden. Um Anforderungen der kooperativen Regionalentwicklung gerecht zu werden, müssen sowohl durch die Bildung als auch in der Bildung Innovationen geschaffen werden.
Wichtig ist ein auf die regionalen Zielgruppen zugeschnittenes Angebot. Die Ziele und Inhalte der Bildungsmaßnahmen müssen den Bedürfnissen der in die kooperative Strategie eingebundenen Akteure entsprechen. Die Methoden, die Didaktik, die Form der Programme (Lehrplan) müssen auf die Bildungsinhalte und die Lehrgangsteilnehmer abgestimmt werden. Dazu sollten die Erwartungen der Teilnehmenden abgefragt werden.

Fortbildungsangebote
  • Erfahrungsaustausch
  • Gruppenarbeit
  • Vorträge
  • Seminare und Fachtagungen
  • Traditioneller Unterricht
  • Fernunterricht
  • Ausbildung am Arbeitsplatz
  • Praktika
  • Exkursionen / Studienfahrten
  • Coaching
 
 

Eine hohe Qualität der Bildungsmaßnahmen sollte gewährleistet sein, um die Motivation der Teilnehmer sicher zu stellen. Eine attraktive Gestaltung der Kurse zeichnet sich durch eine angemessene Sprache, einen engen Praxisbezug, ein abwechslungsreiches Spektrum an Lehr- und Lernmethoden sowie der Möglichkeit eigene Ideen und Probleme einzubringen aus. Erfolgversprechend ist eine Kombination der Weiterbildung mit praktischen Beispielen bzw. praktischen Modellprojekten im eigenen Arbeitszusammenhang der Beteiligten oder in ihrer Gemeinde bzw. Region.

 
 

Den regionsinternen Informations-, Wissens- und Erfahrungsaustausch forcieren

Eine wichtige und zudem kostengünstige Form der Fortbildung, Qualifizierung und Wissensvermittlung ist der "normale" Informations-, Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen den Beteiligten. Dieser kann in Einzelgesprächen, Arbeitstreffen und sonstigen Austauschprozessen stattfinden. (-> Kommunikation)
Um optimale Wirkungen zu erzielen, müssen Erfahrungs- und Praxisberichte forciert und Wissen gezielt eingebracht werden. Know-how kann in der Region auch verbreitet werden:

 
 
  • durch die Erstellung und Verbreitung einschlägiger Info-Materialien,
  • durch einschlägige Informationsveranstaltungen,
  • durch Realisierung von Projekten mit Pilotcharakter oder durch Netzwerke, in denen unterschiedliche Kompetenzen zusammengefasst werden und gemeinsam agieren.
 
 

Darüber hinaus kann die Regionale Entwicklungsagentur bzw. Koordinierungsstelle auch unmittelbar qualifizierend und beratend tätig werden, indem beispielsweise eigene Informations- und Beratungsangebote bereitgestellt oder einschlägige Experten eingekauft werden. (-> Regionale Entwicklungsagentur)

 
 

Seminare, Kurse, Schulungen

Weit verbreitet sind Informations- und Fortbildungsveranstaltungen, die in Form von ein- oder mehrtägigen Seminaren, Kursen oder Schulungen regelmäßig oder modular in Form von Studienblöcken angeboten werden. Sie können berufsbegleitend neben bzw. in der Arbeit oder an deren Stelle in Anspruch genommen werden. Weiterbildung kann in Form standardisierter Kurse erfolgen, die allen Interessierten offen stehen. Es können aber auch "maßgeschneiderte Kurse" angeboten werden, die sich vor allem an Interessierte richten, die an einem bestimmten Projekt oder Strategie beteiligt sind (z.B. Regionalvermarktung).
Zudem kann unterschieden werden zwischen umfassenden Qualifizierungen mit Abschluß und Zertifikat, z.B. als "Regionalmanager/Regionalberater" ,und solchen, die sich auf spezielle Aspekte aus dem Themenspektrum der kooperativen Regionalentwicklung beziehen (s.o.).

 
 

Coaching - Intensive Form

Die wohl intensivste Art der Qualifizierung ist das sogenannte Coaching. Coaching dient insbesondere der Weiterentwicklung von Führungskräften oder der Mitarbeiterförderung, d.h. ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung sowie der Entwicklung und Zukunftssicherung der Organisation. Als Externer berät und reflektiert der Coach das Handeln einzelner Personen oder einer Gruppe.

Gutes Beispiel
 
Das Coaching besteht aus einer Mischung aus:
  • prozessbegleitender Beratung,
  • zielorientierter Anleitung und
  • handlungsorientiertem Training.
 
 

Über eine direkte persönliche Beratung und Reflexion sollen gemeinsame Lösungskonzepte erarbeitet, innovative Projekte intensiv beraten und angeleitet sowie bisher nicht oder untergenutzte Ressourcen aktiviert werden.

 
 

Zusammenarbeit mit Bildungs- und Weiterbildungsträgern suchen

Neben der Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten im Rahmen der Kooperativen Regionalentwicklung hat sich auch die Zusammenarbeit mit Bildungs- und Weiterbildungsträgern bewährt. (-> Vereine, Verbände) Das Spektrum der Träger bzw. Durchführenden von Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen ist breit. Speziell für regionale Kooperationsprozesse oder Regionalmanagement hat sich in den letzten Jahren eine Reihe von unterschiedlichen Trägern etabliert:

 
 
  • Universitäten oder universitätsnahe Einrichtungen;
  • Volkshochschulen;
  • Gemeinnützige und private Bildungsträger;
  • Kammern;
  • Verbände wie z.B. die Katholische Landjugend;
  • Akademien z.B. der Kirchen oder der Länder;
  • Die von der EU-Kommission geförderten "Carrefours für Information und Beratung im ländlichen Raum"
Gutes Beispiel
Tipps
Checkliste

 

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