4.7 Konflikte - erkennen und lösen

Kooperative Regionalentwicklung setzt das Zusammenspiel vieler Personen und Institutionen mit unterschiedlichsten Sichtweisen, Perspektiven und Vorstellungen voraus. Widerstände und Konflikte sind somit unvermeidbar. Der Umgang mit Konflikten und Widerständen gehört daher zum Handwerkszeug.

Stolperstein
 

Konflikte als Chance begreifen

Konflikte gehören zum Alltag menschlichen Zusammenlebens. Gelingt es, die Konflikte zu akzeptieren und ihnen Paroli zu bieten, dann kommen ihre konstruktiven Kräfte zum Tragen. Konflikte sind oft ein Wendepunkt. Sie machen Probleme sichtbar, sie sorgen dafür, dass notwendige Entscheidungsprozesse in Gang kommen, die Energie wieder für andere Aktivitäten verwandt werden kann, etc. Werden bestehende Konflikte jedoch verneint oder unterdrückt, dann bleiben notwendige Klärungen bzw. Entscheidungen aus, Handlungsspielräume werden stark eingeschränkt. Die destruktiven Wirkungen von Konflikten treten in den Vordergrund.

 
 

Konflikt - "Partner"

Unstimmigkeiten, Widerstände und Konflikte können sich auf unterschiedlichen Ebenen abspielen. Sie können zwischen einzelnen Personen oder Institutionen, innerhalb einer Gruppe oder zwischen verschiedenen Interessengruppen auftreten.
Es kann sich um Widerstände und Konflikte innerhalb der Kooperationsorganisation (innerorganisatorische Konflikte) handeln. Widerstände und Konflikte können aber auch bei bzw. mit nicht unmittelbar am Prozess beteiligten Personen und Institutionen bestehen. Diese können aufgrund ihrer Funktion als Entscheidungsträger in Politik, Verwaltung und Wirtschaft oder als Multiplikatoren für die künftige Regionalentwicklung von Bedeutung sein und als artikulationsstarke Opponenten u.U. dem Kooperationsprozess schaden. (-> Promotoren und Opponenten)

 
 

Konfliktursachen sind vielfältig

Widerstände und Konflikte können sehr verschiedene Ursachen haben:
Kooperative Regionalentwicklung bedeutet Wandel. Dieser kann als Bedrohung erscheinen und Ängste auslösen. So können Widerstände gegenüber Veränderungen ganz einfach deshalb entstehen, weil die Ideen neu sind und die Beteiligten keine Möglichkeiten hatten, sich an diese zu gewöhnen oder weil sie ihre Auswirkungen nicht in ihrer ganzen Breite verstehen. Wandel kann auch unmittelbaren Verlust bedeuten, indem Macht, Entscheidungsbefugnisse, Ressourcen, bisheriges Handeln und Agieren thematisiert und möglicherweise in Frage gestellt werden.

Konflikte können zudem aus der Persönlichkeit einzelner Personen resultieren, vielleicht fehlt auch die "richtige Chemie" zwischen den Akteuren. Teilweise haben diese Meinungsverschiedenheiten weit zurückliegende Ursachen und Hintergründe, die - vor allem für externe Moderatoren - nicht immer einfach zu erkennen und zu durchschauen sind.

Auch Diskrepanzen in den Erwartungen oder vermeintliche bzw. tatsächliche Konkurrenzen und gegenseitiges Mißtrauen können zu Widerständen und Konflikten führen.
Geringes Kooperationsinteresse, Kooperationswiderstände und -konflikte resultieren vielfach auch aus Kommunal- und Ressortegoismen. So ist das Verhältnis von Kommunen untereinander nicht selten durch Konkurrenzbeziehungen um Einwohner, Unternehmensansiedlungen, Infrastruktureinrichtungen, Besucher, Standortentscheidungen etc. und damit um Einnahmequellen geprägt. Aber auch "Konkurrenzdenken" zwischen unterschiedlichen Fachressorts kann die kooperative Regionalentwicklung behindern.

Teilweise stellen auch Interessenskonflikte - beispielsweise zwischen Landwirtschaft und Naturschutz - eine gravierende Entwicklungsrestriktion für die Region dar, deren Lösung Initialzündung für die künftige Entwicklung sein kann.

 
 
Konflikte auf der

  • Wertebene
  • Zielebene
  • Prozessebene
  • Verteilungsebene
  • Sachebene
  • Beziehungsebene
 
 

KONFLIKTE HABEN UNTERSCHIEDLICHE HINTERGRÜNDE

Konflikte können in unterschiedlichen Ausprägungen auftreten. Um gegen steuern zu können, ist es wichtig, den Konflikthintergrund und die Konfliktursachen zu kennen:

Wertkonflikte treten dann auf, wenn einzelne Mitglieder oder ganze Gruppen widersprüchlichen Wertvorstellungen - ökonomischer, sozialer, politischer, moralischer oder sonstiger Art - anhängen. Im Bereich der kooperativen Regionalentwicklung fallen hierunter z.B. Konflikte zwischen Naturschützern und Landwirten oder auch ein gewisser "Ressortegoismus" verschiedener Fachressorts.

 
 
Wertkonflikte lassen sich beispielsweise beheben durch:
  • sachliche Auseinandersetzungen mit den Wertvorstellungen des Gegenübers,
  • Einbeziehung der Parteien bei der Ziel-, Strategie- und Maßnahmenformulierung.
 
 

Zielkonflikte sind gekennzeichnet durch kollidierende Vorstellungen des gemeinsam zu erreichenden Ziels der Zusammenarbeit. Im Kontext der kooperativen Regionalentwicklung zählen dazu beispielsweise Meinungsverschiedenheiten über den Stellenwert einzelner Fachaufgaben und Fachpolitiken, aber auch Konflikte zwischen den verschiedenen fachlichen Teilzielen.

 
 
Konflikte auf der Zielebene können beispielsweise vermieden werden durch:
  • gemeinsam entwickelte und möglichst auch schriftlich fixierte Ziele (Kooperations- oder Zielvereinbarungen),
  • den Einsatz effektiver Prozess- und Projektmanagementtechniken (Kommunikations- und Informationsroutinen, Protokolle etc.),
  • geregelte Kompetenzen und klare Aufgabenverteilungen.
 
 

Prozesskonflikte entstehen, wenn der Weg der Zielerreichung strittig ist. So können Meinungsverschiedenheiten und Konflikte bei der kooperativen Regionalentwicklung beispielsweise darüber auftreten, welche Organisationsform gewählt wird, ob neue Gremien/Einrichtungen (wie eine Regionale Entwicklungsagentur) geschaffen werden sollen; welche Maßnahmen bzw. Projekte wann in Angriff genommen werden, etc.

 
 
Diese Konflikte auf der Prozessebene lassen sich teilweise vermeiden durch:
  • Transparenz und regen Informationsaustausch,
  • eine offene Kommunikation,
  • ein klares Konzept,
  • Projektmanagementwerkzeuge,
  • die Integration der beteiligten Entscheider,
  • eine prozessbegleitende Analyse und Optimierung.
 
 

Geht es darum, wie entsprechende Ressourcen verteilt oder Aufgaben zugeordnet werden, kann es zu Verteilungskonflikten kommen. Diese Probleme treten im Rahmen der kooperativen Regionalentwicklung insbesondere dann zu Tage, wenn Standortentscheidungen über regional bedeutsame Einrichtungen zu treffen sind, oder wenn es um die Verteilung der anfallenden Kosten und Erträge geht.

 
 
Diesen Konflikten kann man u.a. vorbeugen durch:
  • Offenlegen der Ressourcen,
  • Beteiligung der Konfliktparteien am Verteilungsprozess,
  • Einschaltung eines neutralen Moderators,
  • Verteilung nach Eignung und Zuständigkeit sowie
  • gemeinsames Aufstellen von unmissverständlichen Regeln und Verteilungskriterien.
 
 

Probleme auf der inhaltlichen Ebene führen zu Sachkonflikten. Diese kommen im Rahmen der kooperativen Regionalentwicklung beispielsweise zum Ausdruck, indem Uneinigkeit über den Nutzen der verfolgten Entwicklungsstrategie besteht oder einzelne Projekte und Aktionen in Frage gestellt werden.

 
 
Konflikten auf der Sachebene läßt sich vorab entgegenwirken durch:
  • Zusammenstellung eines interdisziplinären Teams nach Sachkompetenz,
  • Einbeziehungen von Fachexperten,
  • Vermeiden von Konkurrenzsituationen,
  • Einigung auf eine gemeinsam zu verfolgende Strategie.
 
 

Beziehungskonflikte entstehen durch unterschiedliche Gefühle und Einstellungen zwischen den Konfliktbeteiligten.

 
 
Sie lassen sich u.a. vermeiden durch:
  • eine gute Vertrauensbasis zwischen den Kooperationspartnern,
  • gute und häufige Kommunikation und Interaktion,
  • Berücksichtigung der Beziehungsebene bei der Zusammenstellung der Netzwerkmitglieder
  • Entwicklung und Fixierung gemeinsamer Werte, Visionen (Charta) und Regeln.
 
 

Konfliktlösungsstrategien

Die allermeisten Probleme und Konflikte sind lösbar, auch wenn ein Interessenausgleich nicht immer sofort auf der Hand liegt. Die allerwenigsten Konflikte lösen sich von selbst auf bzw. verebben. Gefragt sind daher Strategien zur Lösung von Konflikten. Auch hier gibt es spezifische, auf die konkrete Situation zugeschnittene Lösungen zu entwickeln und anzuwenden. Die Entscheidung darüber, ob der Konflikt bearbeitet oder vermieden werden soll, bzw. ob eine kontrollierte Begrenzung oder Lösung des Konfliktes favorisiert wird, ist abhängig von subjektiven Kosten- und Nutzen-Erwägungen. Eine maßgebliche Rolle spielt dabei die faktische Bedeutung des Konfliktes für die regionale Entwicklung und den Gesamtprozess.

 
 

Konflikte frühzeitig erkennen

Wichtig ist es, Meinungsverschiedenheiten vorauszusehen, noch ehe diese eskalieren und sich zu Grundsatzkonflikten ausweiten. Die Zeit und Energie, die notwendig ist, um eine ausgewachsene Auseinandersetzung einer konstruktiven Lösung zuzuführen ist erheblich und mit dem Risiko eines möglicherweise dramatischen Motivationsverlustes behaftet.
Am Beginn jeder Veränderungsbemühung sollte daher die Diagnose potenzieller Konflikte und Konfliktfelder stehen. Die Konfliktbeteiligten sind zunächst einmal festzustellen (-> Promotoren und Opponenten), Konfliktquellen aufzuspüren, mögliche Gegenargumente vorweg zu nehmen, kritische Punkte frühzeitig an zusprechen und zu klären. (-> Evaluation)

Konflikte treten nicht immer offen zu Tage. Vielfach gibt es latente Konfliktlagen. Daher müssen auch in Phasen des "scheinbaren Konsenses" Differenzen frühzeitig offengelegt werden. Werden diese beispielsweise bereits bei der Zieldiskussion aufgezeigt, so wird der Konflikt bereits in der Diskussion und nicht erst nach Abschluß der Ziel- und Entscheidungsfindung offenkundig und kann durch entsprechende Alternativenentwicklung möglicherweise beigelegt werden.

 
 

Störungen ernst nehmen

Für eine gute Arbeitsatmosphäre ist zu sorgen. D.h. die Moderation bzw. die Prozessverantwortlichen sollten Störungen im Netzwerk ernst nehmen und die Bedürfnisse, Stimmungen und Meinungen der Teilnehmer und Teilnehmerinnen stärker in den Mittelpunkt rücken. Positive gruppendynamische Prozesse tragen erfahrungsgemäß in erheblichem Maße zur Bereinigung bzw. Vermeidung künftiger Konfliktlagen bei. (-> Kommunikation)

Eine gewisse Konfliktsteuerung ist auch über die Themenwahl möglich. Themen, die sich mit der Formulierung gemeinsamer Gestaltungs- und Entwicklungsfragen befassen, lassen sich leichter im Konsens bearbeiten. Durch konkrete Projekte und Maßnahmen lassen sich rasche Erfolge erzielen. Die Einstiegsthemen dienen als "Trainingsfeld" der Kooperation und haben die Funktion einer ersten "vertrauensbildenden Maßnahme". Nach dieser "Bewährungsprobe" können möglicherweise auch konfliktbeladenere Probleme in Angriff genommen werden.

 
 

Kompromisse finden

Grundvoraussetzung für die Bewältigung eines Konfliktes ist zunächst einmal die Bereitschaft, sich der Konfrontation zu stellen und gemeinsam an einem Grundkonsens zu arbeiten. Die Konfliktparteien zusammenbringen, die Kritiker zu Wort kommen lassen, das gemeinsame Gespräch suchen, auf die unterschiedlichen Positionen und Gegenargumente eingehen, mit klaren Daten und Fakten Überzeugungsarbeit betreiben, an die Vernunft der Kontrahenten appellieren und ggf. die Kritiker durch den Hinweis auf eventuelle Nachteile einschüchtern, gehören zum Standardrepertoire der Konfliktlösung.

Wichtig ist eine gewisse Offenheit im Denken und Handeln der Beteiligten, zukunftsorientiertes Denken, das die Vergangenheit auf sich beruhen läßt, ein Denken in Alternativen, mehrere gangbare Wege aufzuzeigen, für beide Seiten akzeptable Lösungsvorschläge zu unterbreiten und "Brücken zu bauen". Win-win-Lösungen, bei denen alle "Konfliktparteien" Vorteile aus dem gemeinsamen Handeln erzielen, sind zu formulieren, Gewinner-Verlierer-Lösungen zu vermeiden. Hilfreich sind auch Vorschläge für einen gerechten Vorteils- und Lastenausgleich.

 
 
Konfliktlösungsstrategien

  • Konflikte frühzeitig erkennen und Störungen ernst nehmen
  • Positive gruppendynamische Prozesse herstellen
  • Konfliktarme, erfolgversprechende Einstiegsthemen wählen
  • Kompromisse und Win-Win-Lösungen suchen
  • Schiedsrichter heranziehen
  • Frühzeitige Klärung auf politischer Ebene
 
 

Schiedsrichter heranziehen

Eine dritte, neutrale Person heranziehen, die vermittelnd tätig wird, zählt zu den altbewährten Konfliktlösungsstrategien. Dies kann beispielsweise ein neutraler Moderator sein. Bei ausgeprägten Konflikten sind auch spezielle Konfliktlösungstechniken denkbar. Eine Methode zur begleitenden Unterstützung und Konfliktbewältigung bei Teams ist das Coaching. Der Coach hat die Aufgabe, das Team in Krisensituation (also auch bei Konflikten) aus einer neutralen Position heraus zu betreuen und zu beraten. Denkbar ist auch ein Mediationsverfahren unter Hinzuziehung eines Mediators. Der Mediator als neutraler und unparteiischer Dritter, vermittelt bei Konflikten und versucht diese zu rationalisieren. Im Verfahren werden klare Kommunikations- und Verhaltensregeln angewendet.

 
 

Entscheidungskompetenzen und Weisungsbefugnisse zurückhaltend nutzen

Ist die Situation so festgefahren, dass aus objektiver Sicht eine partnerschaftliche Einigung unmöglich erscheint, können auch Verbündete auf einer höheren Hierarchieebene (einer übergeordneten Instanz oder andere Machtinstrumentarien) gesucht bzw. politische Koalitionen aufgebaut werden, um "Unterstützung für die Ideen hinter den Kulissen" zu organisieren und zu mobilisieren. Hierbei ist jedoch zu bedenken, dass eine Konfliktbereinigung durch Weisung in den seltensten Fällen zu einem Einstellungswandel führt und die Konflikte eher unterdrückt als wirklich gelöst werden.

Hingegen hat sich bewährt, Konflikte frühzeitig auf übergeordneter - politischer - Ebene zu thematisieren und auf dieser Ebene auch zu klären. Dadurch wird eine politisch-ideologische Auseinandersetzung aus der operativen Projektumsetzung weitgehend heraus gehalten. Damit werden Verbands- und Behördenvertreter von der Funktion entlastet auch in Sachfragen die Verbandsideologie zu vertreten und damit der Freiraum für sach- und ergebnisorientiertes Verhandeln erweitert. Zweckmäßig ist es daher Schlichtungsinstanzen im Organisations- und Aufgabenverteilungsplan vorzusehen. Diese Gremien, z.B. in Form eines Lenkungsausschusses oder eines Beirates, haben u.a. die Aufgabe sich mit eventuell aufflammenden Konflikten zu beschäftigen und an einvernehmlichen Lösungen zu arbeiten. (-> Aufbauorganisation)

Eine weitere, wenn auch langfristig gesehen wenig wirksame Möglichkeit Meinungsverschiedenheiten und Konflikte zu lösen, sind Abstimmungsverfahren. Erfahrungsgemäß werden durch "Kampfabstimmungen" erzielte Ergebnisse nicht zwangsläufig von den "Unterlegenen" mitgetragen und teilweise auch unterlaufen.

Gutes Beispiel
Tipps

 

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