4.6 Motivation

Kooperative Regionalentwicklung basiert auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Kooperationen entwickeln sich nur unter bestimmten Bedingungen. "DAS WOLLEN", die Motivation der regionalen Akteure, sich für ihre Region zu engagieren, ist eine Grundvoraussetzung.

 
Voraussetzungen der Kooperation
  • Information und Transparenz
  • Lasten und Nutzen
  • Glaubwürdigkeit und Vertrauen
  • Teilhabe und Einfluß
(Selle, Klaus, S. 101)
 
 

Kooperative Regionalentwicklung erfordert Veränderung in den Köpfen und im Denken: Abschiednehmen vom Risikodenken zugunsten des Chancendenkens, Abschied von Egoismen und Kirchturmdenken hin zu Partnerschaft und Kooperation. Diese Einstellungsveränderungen herbeizuführen, langjährig praktizierte Routinen aufzubrechen ist ohne Überzeugungsarbeit unmöglich. Die Motivation der Beteiligten bestimmt die Intensität, Richtung und Form der Aktivitäten.

 
 
Die Aufgabe besteht darin,
  • sich mit den Einstellungen und Motiven der Prozessbeteiligten, aber auch mit denen der Kritiker und Opponenten, auseinanderzusetzen,

  • kooperationshemmende Motivationsbarrieren zu erkennen und abzubauen,

  • kooperationsfördernde Faktoren zu stärken und gezielt einzusetzen, um die Beteiligten von der Kooperation zu begeistern und trotz unvermeidbarer Rückschläge längerfristig zu gewinnen.
 
 

Motivation ist immer nötig

Kooperationen müssen initiiert, gestaltet und lebendig gehalten werden. Motivation ist daher in allen Phasen der Kooperation nötig. Zu Beginn der Kooperation - in der Start- und Orientierungsphase - muss zunächst Überzeugungsarbeit bei künftigen Kooperationspartnern geleistet werden, die sich zunächst sehr reserviert zeigen können. Während der Kooperation muß die Motivation aller Beteiligten wachgehalten, der "Spannungsbogen" aufrechterhalten werden. In Krisen, bei Rückschlägen und Mißerfolgen - in Phasen der Ernüchterung - sind motivationale Fähigkeiten besonders gefordert, um Enttäuschte und Entmutigte wieder aufzubauen und "bei der Stange" zu halten.

Besonders bei den regionalen Akteuren muß eine Grundbereitschaft zur Veränderung vorhanden sein. Ein gewisser Eigenantrieb bzw. eigene Aktivitäten sind notwendig und Menschen werden gebraucht, die die Motivation zu Veränderungen vor Ort anstoßen und kommunizieren.

Stolperstein
 
Wichtige interne Motivatoren sind:
  • die Prozessverantwortlichen,
  • die Moderatoren,
  • aber auch der Rückhalt durch die Gruppe oder
  • das Kooperationsnetzwerk.
Darüber hinaus gibt es aber auch externe Motivationsanreize:
  • Landesministerien als (potenzielle) Fördermittelgeber,
  • andere Regionen, die sich im regionalen Wettbewerb (mit oder ohne regionale Kooperation) besser platzieren,
  • erfolgreiche Kooperationsinitiativen, die zur Nachahmung anleiten, etc.
Diese sind jedoch nicht nur Motivatoren, sondern müssen zu gegebener Zeit auch selbst motiviert werden:
  • Potenzielle Geld- und Fördermittelgeber müssen von der Qualität und Sinnhaftigkeit der Kooperation bzw. einzelner Projekte überzeugt werden, damit sie die benötigten Finanzmittel bereit stellen.

  • Die Vorgesetzten, die Entscheidungsebene, die für die Absegnung und Umsetzung kooperativ entwickelter Ideen und Projekte verantwortlich zeichnen, müssen von den Chancen und Vorteilen überzeugt werden.

  • Sollen Einstellungs- und Verhaltensveränderungen (beispielsweise beim Konsum regionaler Produkte) erreicht werden, ist vor allem auch die breite Öffentlichkeit vom Vorhaben zu überzeugen.

  • Aber auch die Prozessverantwortlichen, die Prozessträger, oder die Prozessmoderatoren, benötigen vor allem bei nicht zu vermeidenden Rückschlägen ein hohes Maß an Motivation.

 

MOTIVE für die kreative Teamarbeit

Sachinteresse Interesse am konkreten Problem
Erkenntnisinteresse Interesse Neues kennenzulernen
Tätigkeitsinteresse Neigung zur Ausführung bestimmter Tätigkeiten
Statusinteresse Streben nach einer bestimmten sozialen Stellung
Personeninteresse soziale Identifikation mit dem Vorgesetzen, dem Moderator
Sanktionsinteresse Streben nach öffentlicher Anerkennung
Karriereinteresse Streben nach beruflicher Entwicklung, dem persönlichen Vorteil

Lehman, Günter: Verhaltensstrategien in der Teamarbeit; in: Selle; Klaus (1996)
 
 

Motivation durch Handlungs- und Leidensdruck

Ohne Problemwahrnehmung - besser noch einen "Leidensdruck" oder eine "Bedrohung" - kommen kooperative Regionalentwicklungsprozesse vielfach nicht in Gang. So resultiert die Einsicht in die Notwendigkeit kooperativen Handelns vielfach aus gravierenden Veränderungen und tiefgreifenden wirtschaftlichen Umstrukturierungsprozessen in altindustriell, monostrukturell oder landwirtschaftlich geprägten Gebieten, aus ökologischen Problemen, aus Flächenengpässen bzw. topographisch bedingten Standortnachteilen oder auch aus bevorstehenden Großprojekten.

 
 

Motivation über Inhalte und Themen

Wie wichtig die Sache ist, um die es geht, wie notwendig dabei regionale Kooperation eingestuft wird und wie hoch die Erfolgserwartungen sind, beeinflußt in entscheidendem Maße die Mitwirkungsbereitschaft. Wichtig für die Motivation sind "Aufhänger", wie spezifische Probleme der Region, die vielen Menschen bewusst sind. Die im Rahmen der Kooperation aufgegriffenen Themen bzw. Probleme müssen nicht nur von regionaler Bedeutung, sondern auch für die Prozessbeteiligten persönlich relevant sein. Durch regionale Kooperation sollte dabei auch etwas bewegt werden können und die gesteckten Ziele müssen von den Beteiligten als realistisch und erstrebenswert eingeschätzt werden. Demzufolge bedarf es eines unter möglichst breiter regionaler Mitwirkung zustande gekommenen Programmes und klarer Strategien. Auch ein griffiges Leitbild kann dabei helfen, sich mit dem Vorhaben stärker zu identifizieren. (-> Inhalte)

 
 

Motivation durch "Eigennutzen"

Der persönliche Nutzen, die eigenen Vorteile und Chancen sind zentrale Motive für persönliches Engagement. Beweggründe für den Einzelnen können beispielsweise darin liegen, seine eigenen Ziele, Ideen und Projekte durch die Zusammenarbeit mit anderen besser, schneller oder überhaupt verwirklichen zu können. Auch Informationen, Erfahrungen, Qualifikationen oder Wissen zu gewinnen bzw. eher in die Gunst einer Förderung zu kommen, können wichtige Handlungsmotive sein.
Dieser Nutzen muß sichtbar werden und darf nicht marginal erschienen. Aufwand und zu erwartender Nutzen dürfen dabei in keinem Mißverhältnis stehen. Für die kooperative Regionalentwicklung bedeutet diese vor allem Win-win-Strategien zu formulieren, bei denen alle Parteien Nutzen ableiten können. Notwendig ist auch ein, den Interessen aller Beteiligter gerecht werdender Vorteils- und Lastenausgleich unter Ausnutzung aller vorhandenen Spielräume und kreativer Lösungen. (-> Finanzierung)

 
 

Motivation durch Kooperationskultur und Führungsstil

Auch die Art und Weise der Zusammenarbeit kann kooperationsfördernd bzw. kooperationshemmend wirken. Förderlich ist eine gewisse Kooperationskultur oder Kooperationsethik. Dabei geht es insbesondere um die Art und Weise, wie der Prozess transparent gemacht wie kommuniziert und mit einander umgegangen wird, wie Entscheidungen gefällt werden und wie mit Konflikten umgegangen wird. Das Aufstellen von gemeinsamen Werten und Orientierungen, beispielsweise in Form einer Charta, ist in diesen Zusammenhang sehr hilfreich. (-> Ablauforganisation)

Damit in Zusammenhang steht ein motivierendes Führungsverhalten. Dies zeichnet sich u.a. durch Offenheit, Vertrauen, Interesse, Respekt und gegenseitige Sympathie, Mitsprache- und Mitgestaltungsmöglichkeiten aus. Geführt wird über Ziele, Überzeugungsarbeit wird mit der Sachlichkeit und Argumenten geleistet, Resonanz und positives Feedback werden gegeben. Es ist erlaubt ja sogar erwünscht, über kontroverse Dinge zu sprechen und andere Meinungen zu vertreten. Offene "Manöverkritik" und ein offener Umgang mit Problemen und Schwächen sind Usus. Auch die politische bzw. fachliche Rückendeckung des kooperativen Engagements des Einzelnen durch seine Vorgesetzten bzw. die Entscheidungsebene gehört hierzu.

Motivierendes Führungsverhalten bedeutet auch, Arbeitsabläufe interessant und effektiv zu strukturieren. Auch Handlungskontinuität ist wichtig, da Einmalaktionen erfahrungsgemäß bei den Beteiligten Erwartungen und Hoffnungen auslösen, die später vielfach nicht eingehalten werden können und in starkem Maße demotivierend wirken können.

Auch die Zugehörigkeit zu einem Netzwerk stärkt das Selbstwertgefühl und motiviert. Dies gilt in besonderem Maße, wenn diesem Netz große Beachtung geschenkt und gesellschaftliche Anerkennung zuteil wird. Im Lauf der gemeinsamen Arbeit entwickelt sich ein Wir-Gefühl, das auch beim Einzelnen Impulse und Kraft für neues Denken und Handeln gibt.

 
 

Motivation durch positives Image

Ein positives Image fördert die Mitwirkungsbereitschaft, ein schlechtes Image behindert. Ein positives Standing der kooperativen Regionalentwicklung bei den Verantwortlichen in Politik, Verwaltung und Wirtschaft auf regionaler und überregionaler Ebene erhöht die Erfolgschancen und damit auch die Motivation der Beteiligten.

Auch ein hoher Bekanntheitsgrad des Vorhabens in der regionalen oder überregionalen Öffentlichkeit wirkt motivierend. In diesem Zusammenhang ist die Informations- und Öffentlichkeitsarbeit eine wichtige Stellgröße. (-> Kommunikation).

Auch mittels Inszenierung regionaler Teilräume durch gestalterische Maßnahmen oder öffentlichkeitswirksame Events können Regionalentwicklungsprozesse (neuen) Schwung erhalten.

Ein positives Außenimage - beispielsweise in Form einer Auszeichnung oder Prämierung im Rahmen von Wettbewerben - kann ebenfalls die Akzeptanz und Mitwirkungsbereitschaft innerhalb der Region beflügeln. Gemäß dem Sprichwort "Ein Prophet gilt nichts im eigenen Land" kann die positive Außenwahrnehmung als Brennglas bzw. Fokus dienen und letztendlich auch zur Aufwertung des Images in der Region führen.

 
 

Motivation durch Erfolg

Nichts ist motivierender als der Erfolg. Werden wesentliche Prozessfortschritte erreicht, indem beispielsweise sich gegenseitig blockierende Entwicklungsfaktoren (wie Naturschutz - Landwirtschaft) im gegenseitigen Interesse gelöst werden, Projekte auf den Weg gebracht und realisiert werden, so führt dies in der Regel zu beachtlichen Motivationsschüben nicht nur bei den unmittelbar Beteiligten, sondern auch darüber hinaus.

Für die inhaltliche und strategische Ausrichtung der Kooperation heißt dies u.a., zumindest in der Startphase relativ kurzfristige und vor allem sichtbare Kooperationserfolge (Einstiegsprojekte) anzustreben und den komplexen Prozess in inhaltlich und zeitlich überschaubare Pakete zu untergliedern. (-> Ablauforganisation)
Ergebnisse und Erfolge müssen dokumentiert und kommuniziert werden. Sie müssen vor allem auch der kooperativen Regionalentwicklung zugeschrieben und nicht ausschließlich dem jeweiligen Projektträger "in Rechnung gestellt" werden.

 
 

Motivation durch Belohnung

Soll Erfolg motivieren, sind zudem Anerkennung und Lob wichtig. "Belohnungsstrategien" können auf unterschiedlichste Art und Weise eingesetzt werden: In Form persönlicher Anerkennung, Danksagungen, Belobigungen, Urkunden, Beförderungen. Kooperatives Verhalten kann auch durch Fördermittel "belohnt" werden, indem kooperativen Projekten Vorrang oder bessere Konditionen eingeräumt werden (Kooperationsbonus) oder das Vorhaben als Modellvorhaben, Pilotprojekt o.ä. anerkannt wird.

 
 

Motivation durch Herausforderung und Wettbewerb

Wettbewerbssituationen im Sinne eines "Wettstreits der besten Ideen und Projekte" sowohl regionsintern als auch über Regionsgrenzen hinaus können Motivationsanreize bieten (z.B. Wettbewerbe "Regionen der Zukunft", "InnoRegio", "Regionen Aktiv"). Gemäß dem Motto "Konkurrenz belebt das Geschäft" appellieren Wettbewerbe an den "Sportsgeist" und sind Ansporn etwas Neues zu wagen.
Stehen diese Wettbewerbe zudem im öffentlichen Rampenlicht, beflügelt dies die Motivation und Mitwirkungsbereitschaft in der Region in besonderem Maße. Preise, Auszeichnungen, Aussicht auf Fördermittel oder sonstige Anerkennung sind Motivationsanreize und müssen in einem angemessenen Verhältnis zum Aufwand stehen. Diese Auszeichnungen und Preise können für eine längerfristige Werbung nach innen und außen genutzt werden.

Es müssen jedoch nicht immer Wettbewerbe sein. Auch von regionalen Entscheidungsträgern bzw. von übergeordneten Fachbehörden oder Ministerien oder in sonstiger Form von außen an die Region und das Netzwerk herangetragene "hohe Erwartungen" sind ein Vertrauensbeweis und beeinflussen die Leistungsbereitschaft.

Gutes Beispiel
 

Motivation durch geschaffene Strukturen

Kooperationsvereinbarungen oder eine einmal geschaffene Entwicklungsagentur oder Entwicklungsgesellschaft sind ein wichtiges Bindeglied des Netzwerkes. Eine "Kündigung" oder ein "Austritt" wäre mit komplizierten Beschlüssen und Auseinandersetzungen sowie öffentlichem Aufsehen verbunden und somit sind die Ausstiegshürden deutlich erhöht. Damit ist jedoch nicht zwangsläufig auch ein aktives Engagement gewährleistet.

Tipps
Checkliste

 

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